Die große Baku-Crash-Challenge

Am Wochenende haben wir in Aserbaidschan ein Rennen erlebt, das mit Sicherheit in keinem einzigen Formel-1-Saisonrückblick fehlen wird.

Aber mit Sicherheit nicht nur deshalb, weil es das spannendste Rennen der Saison war und der erst 18-jährige Lance Stroll, der sich in der gesamten bisherigen Saison nicht mit Ruhm bekleckert hat, seinen ersten Podestplatz erzielt hat. Oder weil sich beide Force-India-Piloten gegenseitig in die Kiste gefahren sind und so einen möglichen Doppelsieg weggeworfen haben. Auch nicht, weil der in Runde zwei bereits überrundete Valtteri Bottas am Ende noch Zweiter wurde. Oder deshalb, weil Fernando Alonso die ersten Saisonpunkte für McLaren-Honda holte. Und erst Recht nicht, weil sich Max Verstappen und Kimi Räikkönen trotz besserer Startplatzierung als ihre Teamkollegen intensiv um den Titel "Pechvogel der Saison" duellierten.

Nein, der Grund ist vielmehr das "Manöver" von Sebastian Vettel gegen Lewis Hamilton.

Auch wenn viele Experten zunächst Hamilton die Schuld für den Auffahrunfall gaben, da sie von einem Bremsmanöver des Mercedes-Piloten ausgingen: Die Schuldfrage ist hier allerspätestens nach Auswertung der Telemetriedaten eindeutig geklärt. Hamilton hat nicht gebremst, sondern nur auf das Beschleunigen ausgangs der Kurve verzichtet, um genügend Abstand zum Safety Car zu lassen. Dies darf er erst ab dem Moment tun, wenn die Lichter am Safety Car ausgeschaltet werden, vorher muss er innerhalb von zehn Wagenlängen (rund 50 Meter) bleiben. Auch war Hamilton an dieser Stelle nicht langsamer als bei der Freigabe nach den beiden Safety-Car-Phase zuvor.

Daher ist der Freispruch für Hamilton gerechtfertigt.

Der Fehler beim Auffahrunfall lag also vollständig bei Vettel. Dies alleine hätte 2016 noch für eine Bestrafung wegen Verursachens einer Kollision gereicht - 2017 sind die Rennkommissare hier glücklicherweise nachsichtiger. Aber danach neben den Konkurrenten zu fahren und diesen dann mit voller Absicht seitlich zu rammen - in meinen Augen ist das eine grobe Unsportlichkeit. Ich musste dabei spontan an den Kopfstoß von Zinedine Zidane gegen Marco Matterazzi beim WM-Finale 2006 denken und hätte auch in diesem Fall eine vergleichbare Strafe (Disqualifikation und eine zusätzlich Sperre) als gerecht empfunden.

Auch wenn die Rennkommissare mit einer 10-Sekunden-Stopp-and-Go-Strafe und drei Strafpunkten die härteste mögliche Strafe aussprachen, die unterhalb einer Disqualifikation lag - für Hamilton muss das blanker Hohn sein, da er wegen eines (mehr oder weniger) technischen Defektes noch hinter Vettel ins Ziel kam. Da muss man sich ernsthaft fragen, was ein Fahrer tun muss, um die schwarze Flagge gezeigt zu bekommen, wenn ein vorsätzlicher Rammstoß hier nicht ausreichend ist. Die Tatsache, dass dies bei langsamer Geschwindigkeit passiert ist und beide Fahrzeuge unbeschädigt blieben, darf hierbei keine Rolle spielen. Ein absichtlicher Schlag ins Gesicht hat beim Fußball auch immer eine rote Karte zufolge, unabhängig davon, ob dem Spieler die Nase gebrochen wurde oder nicht.


Als Formel-1-Pilot (besonders als mehrfacher Weltmeister) hat man eine Vorbildfunktion, dies sollten auch die Damen und Herren bei der FIA berücksichtigen. Und nach dieser doch sehr milden Strafe für Vettel wird es vermutlich nicht lange dauern, bis sich ähnliche Szenen auch in Nachwuchsserien abspielen werden. Und was hierbei passieren kann, will ich mir gar nicht ausdenken...

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