Kanada GP 2019

Hallo liebe Motorsportinteressierte,

ich nehme den Großen Preis von Kanada 2019 mal wieder zum Anlass, einen Blogpost zu schreiben. Es geht natürlich um die Szene des Rennens zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton, welche Erstgenanntem eine Zeitstrafe von fünf Sekunden einbrachte und so den Sieg kostete.

Anfangen möchte ich hier jedoch mit einer ganz anderen Szene aus dem gleichen Rennen: Romain Grosjean bekam unmittelbar nach dem Start bei der Zufahrt zur ersten Kurve den Frontflügel von Alex Albon ab und musste ein Teil des Flügels sogar mit der Hand von seinem Halo entfernen. Grosjean fuhr in Kurve eins von der Strecke, ließ Kurve zwei aus und fuhr am Kurvenausgang dann langsam und sicher wieder auf die Strecke. Im Klassement fiel er so von Platz 14 ans Ende des Feldes zurück.

Das Thema Sicherheit ist für die FIA ein ganz wichtiges, daher steht in Artikel 27.3 des sportlichen Reglements auch (übersetzt) folgender Passus: "Sollte ein Fahrzeug die Strecke verlassen, darf der Fahrer nur dann wieder zurückkehren, wenn er dies auf sichere Weise tut und nur, ohne sich einen bleibenden Vorteil zu verschaffen." Dies tat Grosjean definitiv in vorbildlicher Art und Weise.

Fast eine Stunde später, Runde 48: Vettel machte in Führung liegend einen Fahrfehler, rutschte in Kurve drei geradeaus und verließ so die Strecke. Er fuhr über das Gras und anschließend wieder zurück. Dabei hört man auf den Onboardaufnahmen ganz eindeutig, dass Vettel sofort wieder auf dem Gas stand. Er nutzte die gesamte Streckenbreite aus und zwang Hamilton, der unmittelbar hinter ihm auf der Ideallinie fuhr, nach rechts auszuweichen und zu bremsen, um eine Kollision mit Vettel (oder der Mauer am Streckenrand) zu verhindern. Soweit zu den Fakten.

Nun die Interpretation der Situation, zunächst einmal zu Hamilton: Er hat in dieser Situation nichts falsch gemacht. Er fuhr auf der Ideallinie der Strecke und reagierte dann genau richtig. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Max Verstappen beispielweise genauso reagiert hätte. Hier wäre eine Kollision wohl deutlich wahrscheinlicher gewesen. Natürlich hätte Hamilton auch theoretisch in der Kurve bereits deutlich mehr abbremsen können, um dann statt auf der Außenbahn auf der Innenseite an Vettel vorbei zu fahren. Aber er konnte auch nicht damit rechnen, dass Vettel so auf die Strecke zurückfahren würde.

Eine Strafe darf laut Artikel 38.2 a) des Sportlichen Regelwerks nur dann ausgesprochen werden, wenn ein Fahrer ganz oder überwiegend für einen Vorfall verantwortlich ist. Da Hamilton ganz eindeutig keinerlei Schuld trägt, ist dies hier der Fall - Vettel war ganz alleine für den Vorfall verantwortlich.

Nun zu Vettel: War dies eine sichere Art und Weise, zurück auf die Strecke zu fahren? Wenn ein hinterherfahrender Pilot bremsen und ausweichen muss, damit es nicht knallt, darf dies ersthaft bezweifelt werden. Sicher ist definitiv anders, siehe Grosjean. Aufgrund der Tatsache, dass Hamilton dadurch auch seinen gesamten Schwung verlor, der anschließend für ein Überholmanöver gegen Vettel gereicht hätte und dieser nur deshalb vorne blieb, hat er sich auch noch einen bleibenden Vorteil verschafft. Vettel verstieß also direkt gegen zwei Aussagen des Regeltextes.

Vettel argumentierte, dass er keine andere Wahl gehabt habe und die Blockade gegen Hamilton nicht absichtlich war. Dies ist jedoch vollkommen irrelevant. Ein in meinen Augen passender Vergleich: Wenn beim Fußball ein Verteidiger den Stürmer im Strafraum zu Fall bringt, gibt es einen Elfmeter. Absicht oder nicht spielt hier keine Rolle, da dies für die Beurteilung des Regelverstoßes unerheblich ist. Es wäre daher eine Fehlentscheidung der Rennkommissare gewesen, den Vorfall zu ignorieren.

Nun zur Strafe selbst: Ist eine Zeitstrafe von fünf Sekunden zu hart, wie viele Leute argumentieren? Es handelt sich dabei nach einer Verwarnung um die mildeste Strafe, die den Rennkommissaren zur Verfügung stand. Darf man bei einem einem sicherheitsrelevanten Verstoß, der zudem mit zwei Strafpunkten bestraft wird, lediglich eine Verwarnung aussprechen? In meinen Augen nicht.

Denn: Selbst beim Verlassen der Strecke mit sicherem Zurückfahren auf die Strecke wird eine Zeitstrafe von fünf Sekunden ausgesprochen, wenn sich der Fahrer so einen Vorteil verschafft. Wenn die Strafe für Vettel infrage gestellt wird, ist sie dann wohl eher als zu milde zu betrachten. In meinen Augen hätten die Rennkommissare stattdessen auch durchaus eine Durchfahrtstrafe aussprechen können. Dies hätte ganz nebenbei den für die Zuschauer positiven Nebeneffekt gehabt, dass auch der tatsächliche Sieger als Erster abgewunken worden wäre.

Zu den Leuten, die den Rennkommissaren und der FIA vorwerfen, ein bis dahin spannendes Rennen zerstört zu haben, kann ich nur folgendes sagen: Wenn Vettel nach seinem Fehler wieder in sicherer Weise auf die Strecke zurückgefahren wäre, hätte er Hamilton zwar vorbeilassen müssen. Anschließend hätte er aber mit dem überragenden Topspeed des Ferraris und DRS durchaus Chancen gehabt, Hamilton wieder zu überholen.

Und zu Vettels Verhalten nach dem Rennen möchte ich an dieser Stelle nichts sagen. Von Respekt zeugt dieses jedoch wieder einmal nicht. Und in Anbetracht seiner Vorgeschichte (ich erinnere nur einmal an Baku 2017 oder an "Fuck off, Charlie") könnte ich mir auch durchaus vorstellen, dass hier seitens der FIA weiteres Ungemach droht. Und wenn ich an die Strafe für Verstappens Schubser gegen Ocon denke, dann auch vermutlich nicht zu Unrecht.

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