Desert X Prix 2021 - Motorsport meets Umweltschutz (naja, fast)

Grüße, Freunde des Rennsports. In meinem heutigen Blogpost möchte ich einmal einige Gedanken zur Extreme E zusammentragen, die am Osterwochenende mit dem Desert X Prix ihr erstes Rennen ausgetragen hat.

Mein Fazit nach dem Debüt der Rennserie: So gut wie die Idee auch war, aber DIESE Umsetzung war nichts anderes als ein großer Haufen Sch...e. Und daran gibt es auch überhaupt nichts zu beschönigen.

Sportliches Chaos ohne jeden Wert

Das begann schon in den Tagen vor dem X Prix: Innerhalb von nur einer Woche hat die Rennserie zweimal ihr Rennformat und die Punktevergabe komplett überarbeitet. Aus den beiden Rennen mir vier bzw. fünf Fahrzeugen wurden dann drei Läufe á drei Autos, aus den Qualifying-Rennen ein Zeitfahren.

Der dritte und letzte Lauf, das "Shoot Out", wurde dabei nicht einmal auf YouTube übertragen. Die Änderung des Rennformates kam wohl zu spontan, um den Streaming-Zeitplan noch zu ändern. Und warum eigentlich "Shoot Out"? Alle drei Teilnehmer (wenn denn die Fahrzeuge noch fahrtauglich sind), sind bereits ausgeschieden und es geht nur um die Positionen 7 bis 9.

Das Sportliche Reglement zum Nachlesen von fraglichen Punkten? Gab es auch auf Anfrage nicht. So wussten wir in unserer Redaktion erst mit dem Start des Qualifyings, dass in jeder Session sowohl die Fahrerin als auch der Fahrer antraten und es einen "Switch" gab. Mit dem Start des zweiten Qualifyings wurde uns dann erst mitgeteilt, dass die Paarung hier in umgekehrter Reifenfolge starten muss. Wie unprofessionell bitte ist denn das?

Den "Hyperdrive" genannten Modus mit Extra-Leistung gab es statt für den weitesten Sprung nun für jede:n Fahrer:in in jeder Runde. Für vier Sekunden stand die Zusatzleistung zur Verfügung. Aber wie viel Leistung das war, wurde nicht kommuniziert.

Augenscheinlich haben die Verantwortlichen immerhin nach zwei Überschlägen im ersten Qualifying eingesehen, dass am Ende nicht viele Fahrzeuge übrig bleiben werden, wenn das so weitergeht. Also hat man die Leistung der Boliden für das restliche Rennwochenende auf 225 kW (306 PS) reduziert. Weniger als die Formel E im Qualifying-Modus.

Technische Kinderkrankheiten wie die reihenweise ausfallende Servolenkung bei den neuen, Odyssey 21 getauften SUVs, können immer mal wieder auftreten. Aber gibt es gerade für so etwas nicht Testfahrten?

Drei Fahrzeuge bestritten das Finale. Zusammen gesehen hat man diese nach dem Start nicht mehr.

Völlig überraschend hatte sich wohl auch erst im Laufe des Streckenaufbaus herausgestellt, das man in der Wüste nicht mit mehreren Autos direkt hintereinander fahren kann. Zu viel Staub, wer hätte das gedacht?

Die Rennen selbst boten viel Spannung - vom Start bis zum zweiten Gate, als man nicht mehr nebeneinander fahren konnte. Ganze 30 Sekunden Rennaction wurden geboten. Was in den rund elf Minuten danach kam, war eine Farce: Die Fahrer:innen mussten mindestens 25 Sekunden Abstand zum Vordermann bzw. zur Vorderfrau lassen, um wegen des aufgewirbelten Staubs überhaupt etwas sehen zu können.

Nur ein Fahrer im gesamten Feld fuhr einmal mit weniger Abstand: Kyle LeDuc war waghalsig genug, Claudia Hürtgen tatsächlich ein- und überholen zu wollen. Was nur so lange gutging, bis Hürtgen wegen einer großen Bodenwelle verlangsamte und LeDuc ihr mit einem dermaßen großen Geschwindigkeitsüberschuss ins Heck prallte, dass der Bolide von ABT Cupra nun ein Totalschaden ist.

Auch die Rennkommissare scheinen nicht ihren besten Tag gehabt zu haben. Anders ist nicht zu erklären, warum sie sich bei der Strafe für das Team Rosberg X Racing ganz offensichtlich verrechnet haben. Aus den offiziellen Dokumenten geht hervor, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung in der "Switch Zone" mit 5 Strafsekunden für jeden Stundenkilometer geahndet wird, den das Fahrzeug zu schnell war, geahndet wird.

Kristoffersson oder Taylor wurden bei erlaubten 30 km/h mit 44 km/h gemessen. 14 km/h waren sie somit zu schnell, wie sie auch im offiziellen Dokument richtig feststellen. Die Multiplikation von 14 mit 5 haben sie dann jedoch nicht korrekt hinbekommen.

So viel zum Sportlichen. Aber das ist bei der Extreme E ja auch nur eine Nebensache, betont man ja in sämtlichen Veröffentlichungen.

Legacy Project: Wenn Wüstenbildung als Thema zu trocken ist

Stattdessen will man auf die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels aufmerksam machen. Das Thema beim Desert X Prix: Desertifikation, also Wüstenbildung.

Eine große Rolle scheint das Thema dann aber doch nicht gespielt zu haben, als man sich für das Legacy Project vor Ort entschied: Man will den Erhalt des Lebensraums zweier Meeresschildkrötenarten im Roten Meer unterstützen. Wüstenbildung scheint dann wohl doch ein zu trockenes Thema gewesen zu sein. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Thema Meeresschildkröten gab es im Dezember 2014 auch in der Formel E schon einmal, beim Punta des Este E-Prix mit Michaela Cerruti und Jaime Alguersuari. Hat damals schon gut funktioniert, kann man also mit der Extreme E auch mal machen.

Laut Pressemitteilung geht es unter anderem um den Schutz eines Ras Baridi genannten Gebietes, 50 km nördlich der Stadt Yanbu. Von Al-'Ula aus ist dieser Strandabschnitt rund 250 km Luftlinie entfernt.

Um das Thema weiter zu "bebildern", ließ man Fahrer, Teambesitzer und weiteres Personal der Rennserie Plastikmüll an diesem Strandabschnitt einsammeln. Wie die Gruppe von mindestens 50 Personen wohl vom Rennort aus zu diesem Strandabschnitt gekommen ist? Bestimmt nicht emissionsfrei mit Strom aus grünem Wasserstoff, so wie die Rennfahrzeuge.

Besonders spannend finde ich aber auch das Foto, das in der Pressemitteilung der Extreme E verwendet wurde. Die originale Bildbeschreibung in dieser Pressemitteilung (alt-Tag) lautet: "Eine niedliche Gruppe neugeborener Karettschildkrötenbabys (Eretmochelys imbricata), die nach dem Verlassen des Nestes an der Küste von Bahia, Brasilien, zum Meer laufen, mit einer Kokosnusspalme"

Um das Projekt in Saudi-Arabien anzukündigen, verwendet man ein einfach "niedliches" Bild mit Schildkrötenbabys aus Brasilien, mehr als 9.000 km Luftlinie von Saudi-Arabien entfernt. Kann man gut finden, muss man aber nicht.

Das Projekt selbst unterstütze ich zu 100 Prozent und habe auch überhaupt nichts daran auszusetzen. Ich wollte selbst als Kind einmal Meeresbiologe werden und esse auch seit dieser Zeit keinen Fisch. Ich halte die Weltmeere für erhaltenswerte Ökosysteme und bin ein ausgewiesener Gegner der Überfischung. Meeresfrüchte esse ich höchtens dann, wenn sie aus Belgien kommen ;-)

Aber mit Desertifikation hat das Projekt ja mal gar nichts zu tun.

"Race without a trace"

Die Extreme E hat sich auf die Fahnen geschrieben, keinen Fußabdruck an den Orten zu hinterlassen, an denen sie fahren. Aus diesem Grunde sind auch keine Zuschauer vor Ort erlaubt. Zumindest dann, wenn man VIP-Gäste wie Seriengründer Alejandro Agag oder Teambesitzer wie Nico Rosberg, Chip Ganassi oder Zak Brown nicht als Zuschauer, sondern als Personal der Rennserie bzw. der Teams zählt.

Als ich die Bilder aus Al-'Ula gesehen hat, konnte ich das jedoch nur schwer glauben.

 

Bodenerosion als Folge von Offroad-Fahrten ist ein großes Thema, das auch vor dem Desert X Prix nicht Halt macht. So sagte Claudia Hürtgen nach ihrem Unfall mit Kyle LeDuc, dass sie das Tempo verringern musste, weil dort eine Bodenwelle gewesen sei. "Die Bodenwellen waren neu - gestern gab es da noch keine", wird die Aachenerin zitiert.

Eine solche Welle entsteht jedoch nicht einfach so über Nacht, auch nicht durch Wind oder Sonneneinstrahlung. In meinen Augen ist dies eine Folge der Tatsache, dass die Boliden der Extreme-E dort ihre Runden gedreht haben.

Ob nach dem Rennen Alejandro Agag und Nico Rosberg ähnlich wie zuvor am Strand auch um die rund 9 Kilometer lange Strecke gelaufen sind und die von den Fahrzeugen herrührenden Fahrspuren mit einer Schaufel zugeschüttet haben, darf zurecht bezweifelt werden.

Wenn es denn so einfach überhaupt wäre... Auswirkungen wie eine Verdichtung des Bodens an den Stellen, wo viele Fahrzeuge entlanggefahren sind, können nicht mal eben so rückgängig gemacht werden. "Race without a trace" ist in meinen Augen nichts anderes als PR-Gewäsch. Oder Wunschdenken, wenn man es positiv ausdrücken will.

 "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"

Kritische Berichterstattung ist in Saudi-Arabien nicht erwünscht. Das weiß man spätestens, seitdem Kronprinz Mohammed Bin Salman mutmaßlich den kritisch über die saudische Regierung schreibenden Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul ermorden und seine Leiche anschließend zerstückeln ließ.

Die internationale Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen schreibt: "Zensur ist in Saudi-Arabien alltäglich, unabhängige Medien sind nicht erlaubt." Daran wird sich wohl auch die Extreme E orientiert haben, als man einen Autosport-(und damit Motorsport-Network-)Journalisten mit nach Saudi-Arabien nahm.

Instagram finde ich toll. Besonders, weil dort jedermann sehen kann, wie beispielsweise jener Journalist in die PR-Aktivitäten der Rennserie involviert war. Egal ob als Müllsammler am Strand, bei abendlicher Beleuchtung im mutmaßlichen VIP-Bereich oder auf einem Speedboot auf dem Weg zur St. Helena - er war (laut seinem privaten Instagram-Account) überall dabei. 

Dann verwundert es auch nicht, wenn sein Autosport-Artikel folgenden Titel trägt: "Wie die Extreme E die Erwartungen übertraf und ihren ersten großen Test bestand"

Und der Teaser: "Das Rennen mag nicht so explosiv gewesen sein wie das erste Rennen der Formel E im Jahr 2014 und war nicht ohne Problemchen. Doch der Sprung ins Ungewisse scheint sich gelohnt zu haben, denn die Extreme E lieferte ein Spektakel, das seinesgleichen sucht."

Da sich der Rest des Artikels hinter der "Autosport Plus"-Paywall befindet, kann ich an dieser Stelle nichts weiter über den Inhalt sagen. Aber so viel sollte klar sein: Große Kritik hat die Extreme E sicher nicht zu befürchten. Zumindest nicht vom weltweit größten Motorsport-Netzwerk.

Fotos: Extreme E

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